Die Uraufführung des Musicals LULU am 15.05.2010 im Tiroler Landestheater ist ausverkauft. Das volle Haus erwartet eine deutschsprachige Neuproduktion mit Starbesetzung und es wird nicht enttäuscht.
Die Intendantin des TLT Brigitte Fassbaender hat nach einer Idee von Pierre Wyss die berühmte Vorlage Frank Wedekinds musicaltauglich umgeschrieben und Stephan Kanyar die eingängige Musik dazu komponiert.
Lulu (Lucy Scherer) ist die grenzenüberschreitende, verführerische Mischung zwischen Unschuld und Bösem, die Kindfrau, der Vamp, die personifizierte Provokation, die Frau, für die sich Männer erschießen und die selbst mordet.
Sie wächst in den Straßen Berlins der zwanziger Jahre bei einer Mann namens Schigolch auf, der sie ernährt aber auch ver- und vorführt. Ihre Liebe zum Tanz macht sie zu einer Attraktion der Umgebung in der sie lebt. Hier fällt sie dem Chefredakteur Dr. Schön auf, der sie Schigolch abkauft. Er möchte „eine Dame“ aus ihr machen.
In einer schäbigen, dunklen Parallelwelt lebt ein Geisteskranker (Máté Kamarás), der als Erzähler durch das Geschehen führt. Er ist besessen von einem Hass auf das Leben und auf Frauen wie Lulu, immer mit der Zerstörung ihres Bildes beschäftigt, verbal wie tätlich. „Das Leben ist kein Freudenfest“ lautet seine Botschaft.
Lulu verführt und benutzt die Männer, arbeitet sich durch ihre Betten in der Gesellschaft hoch. Doch immer wieder langweilt sie sich bald bei den aktuellen Liebhabern. Beide Ehemänner müssen ihr Leben lassen. Der erste, ein Fotograf namens Schwarz, dem Dr. Schön die für ihn selbst nicht standesgemäße Tänzerin zugeführt hat, erschießt sich aus Eifersucht, Dr. Schön selbst wird von Lulu im Affekt getötet. Damit beginnt ihr Abstieg, sie wird gefangen gesetzt.
Lulu wird durch die in sie verliebte Gräfin Geschwitz aus dem Gefängnis befreit und flieht mit dieser, mit Dr. Schöns Sohn Alwa, der sie liebt und mit Ziehvater Schigolch, der den Kontakt gehalten hat, nach Paris. Dort wird sie von einem Casinobesitzer gedemütigt, der dafür mit dem Leben bezahlen muss. Wieder müssen die vier fliehen. In London schließlich ist Lulu dort angekommen, wo sie herkam: in der Gosse. Sie verdingt sich als Prostituierte, scheint das aber zeitweise zu genießen, kann sie doch endlich ihre Sucht nach körperlicher Liebe stillen.
Hier findet nun auch Alwa den Tod durch einen ihrer Freier und sie selbst trifft schlussendlich auf ihren eigenen Todesengel: den geisteskranken Erzähler der Geschichte, der sich als „Jack the Ripper“ entpuppt.
Die Inszenierung wird thematisch durch das Bühnenbild hervorragend unterstützt. Lulu kommt von der ins Unendliche führenden offenen Straße in einen immer runden Raum, in dem sie von der Außenwelt abgeschirmt und geborgen ist. Leid und Tod, aber auch das Leben bleiben hinter den hohen Mauern verborgen, umkreisen diese jedoch unablässig; nur in wenigen Szenen durchbrechen sie diesen Schutzwall. Die Farben Schwarz, Weiß und Rot dominieren Kostüme wie Requisite und verdeutlichen das ewige Zusammenspiel von Tod, Leben und Liebe.
Das gleiche offene, beide Welten vereinende Bühnenbild am Anfang wie am Ende schließt den Lebenskreis der Protagonistin.
Máté Kamarás bleibt nach seinem hochgelobten Engagement als „Tod“ im Musical „Elisabeth“ in Wien seiner Rolle als Todbringer treu, singt und spielt auch den Geisteskranken überzeugend und furchterregend.
Lucy Scherer in der Titelrolle ist vom zarten, schwachen Vampiropfer im „Tanz der Vampire“ in Berlin und Stuttgart zum starken, sinnlichen Vamp geworden, der die Männer um den Finger wickelt. Auch ihre Stimme scheint gestärkt und dominanter als in der Rolle ihrer letzten Produktion.
Gesanglich fällt von den Nebendarstellern vor allem Anne Schuldt (Gräfin Geschwitz) positiv auf.
Insgesamt eine hervorragende Leistung der Darsteller und eine gelungene Umsetzung der legendären Dramavorlage.
Die Erschütterung über den brutalen Tod der Lulu durch die Hand des Rippers weicht schnell dem brandenden Applaus und den Bravorufen des begeisterten Innsbrucker Premierenpublikums: Lulu wird noch lange tanzen!
Susannah V. Vergau
Musik: Stephan Kanyar
Text: Brigitte Fassbaender
Idee: Pierre Wyss nach Frank Wedekind
Lulu: Lucy Scherer | Jack: Máté Kamarás | Dr. Schön: Kenneth Derby | Schwarz: Thomas Paul | Alwa: Ansgar Matthes | Schigolch: Dale Albright | Gräfin Geschwitz: Anne Schuldt | Casti Piani: Marc Kugel | Ferdinand: Michal Dousa u.a.
Chor des TLT
Tanzcompany des TLT
Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter Leitung von Michael Mader
Fotos: Rupert Larl und Susannah V. Vergau
Weitere Fotos der Premierenfeier finden Sie unter: photos4dreams
Weitere Infos und Termine: www.landestheater.at