Der Aschaffenburger Club Colos-Saal erlebte am 28.03.2011 ein denkwürdiges Konzert der 1958 geborenen, kanadischen Rockröhre Alannah Myles.
Im Aufwärmprogramm singt an diesem Abend die Schwedin Liny Wood traurige Lieder über verlorene Lieben, Kindheitserlebnisse und ihre Mutter. Ihre Soulstimme bereitet das Publikum auf den „Main-Act“ vor. Und dennoch gibt es keine Vorbereitung auf das, was da kommen sollte.
Was muss es für ein Gefühl sein, in die geschockten Gesichter hunderter Zuschauer zu blicken? Die stark untergewichtige Alannah Myles, nur noch ein Schatten ihrer selbst, betritt an einer Gehhilfe mühsam die Bühne und macht sogleich eine Ansage, dass sie jetzt ein für alle Mal zu ihrer „Form“ Stellung nehmen würde und dann nie wieder: sie habe seit Jahren Wirbelsäulenprobleme und „zu viele Chiropraktiker“ besucht. Jetzt wären die Wirbelkörper in sich zusammengesintert und würden ihr große Schmerzen bereiten.
Schmerzen, die sie jedoch nicht davon abhalten können, ihrer Bestimmung zu folgen. „Wer das nicht mit ansehen kann, soll die Augen schließen!“ Denn sie würde hier singen – komme was wolle!
Wer Sorge hatte, sie sei aufgrund der Malässen ruhiger geworden, irrt gewaltig! Sie ist Gefangene in ihrer körperlichen Hülle, doch die unbändige Energie sprüht aus der fast regungslosen Gestalt auf der Bühne förmlich heraus. Ihre rockig-rauchige Stimme füllt den ganzen Club. Das Publikum tanzt für sie, singt mit ihr, die anfängliche Betretenheit weicht schon beim ersten Lied einer nicht enden wollenden Begeisterung.
Neben ihr auf der Bühne steht der junge Donny Anderson. Alannah hat ihn über Facebook kennen gelernt, über das er ihr einen Gruß und einen Link zu seiner Seite übermittelt hatte. Ihre strahlenden Augen richten sich gen Himmel, wenn sie das erste Mal beschreibt, als sie seine Stimme hörte: sie hätte sofort gewusst, dass er mit ihr singen und touren müsse, sagt sie.
Blues & Rock mit Country-Einschlag sind Alannah Myles’ Markenzeichen. 22 Jahre sind es jetzt her, seitdem sie mit „Black Velvet“ die Welt erobert hat und immer noch reißt die Ballade auch den letzten der Zuschauer aus der Lethargie. „Schau, Donnie, wir haben stehende Ovationen“, scherzt Alannah, auf die unbestuhlte Halle deutend. Sie ist humorvoller geworden, lächelt viel, kann aber weiterhin schimpfen, wie ein Rohrspatz, wenn der Mann von der Technik nicht genau das macht, was ihr vorschwebt.
Nach fast zwei Stunden mit einer Zugabe verlässt die Sängerin die Bühne und wird begleitet von wahren Begeisterungsstürmen. Sie hat sich in Herz und Seele des Publikums gesungen, das diesen Abend in irrwitzigem Tempo zwischen Lachen, Tränen und Gänsehaut geschwankt hat.
Ein denkwürdiges Konzert, das noch lange in den Gedanken nachhallt! Die neue zarte, kleine Alannah Myles ist heute größer denn je.
Susannah V. Vergau
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